von Christoph Frick, Suzanne Zahnd und Ensemble
Fotos © Claude Giger
KLARA setzt nach Abstechern ins Showbusiness und Performance-Theater wieder auf eine Geschichte, eine strenge Chronologie und auf Figuren: Der Roman "La Bohème – Szenen aus dem Pariser Künstlerleben" von Henri Murger aus dem Jahre 1851 dient als Ausgangspunkt für "Die sorglose Heiterkeit der Unternehmerherzen". KLARA gibt aber nicht einfach dessen Handlung wieder, sondern baut eine eigene Geschichte darauf auf. Die Motive bleiben über die Zeit hinweg die gleichen, nur stellen sich aus heutiger Sicht andere Fragen: Wer sind die Bohèmiens von heute? Möglicherweise eher die Gewinner der New Economy als hehre Künstler? Stellen Kulturschaffende eine Art neue Unterschicht
"Die sorglose Heiterkeit der Unternehmerherzen" bedient sich der Höhen- und Tiefflüge grossangelegter Unternehmungen und überträgt sie in den Mikrokosmos einer Männerfreundschaft: Da wird chronisch gebrainstormt wie in der Expo.02, der Niedergang schön geredet wie in der Swissair, intrigiert wie bei Kuoni.
Der Musiker Jochen, der Architekt Gerhard und der Installationskünstler Rob Roy stecken in der finanziellen Misere. Zwar geben sie immer noch lebemännisch und risikofreudig – innerlich jedoch sind die Mittvierziger zunehmend von Existenzängsten gepeinigt. Angetrieben von den Verheissungen der New Economy lassen sich die drei dazu hinreissen, ein waghalsiges Unternehmen zu gründen: von einer Webpage sollen sich potentielle Kunden versteckte Botschaften auf ihren Computer herunterladen können, die in regelmässigen Abständen für Bruchteile von Sekunden über den Bildschirm flimmern. Obwohl unsichtbar, sollen diese "Subliminals" den Käufer von Lastern, Phobien und mangelndem Selbstvertrauen befreien. Doch die Bemühungen des Trios um eine bürgerliche Existenz sind viel zu verzweifelt, um erfolgreich zu sein. Ihre verschämte Einsicht in den Kapitalismus bedeutet nicht, dass sie sich in ihm behaupten können. Das von Jochens Mutter geliehene Geld ist bald aufgebraucht; schlaflose Nächte, Hautkrankheiten und zwischenmenschliche Reizerscheinungen gelten anfänglich als adelnder Beweis der Entschlossenheit. Doch der unabwendbare ökonomische Kollaps ist nur das Vorspiel zum totalen moralischen Zerfall.
Es sind diese kongenialen Bildfindungen - für die Nichtigkeit schneller Pläne, schillernder Reden und schneller, schillernder Lebens-Konzepte von New Age bis New Economy -, die Klaras Neustes auszeichnen. Daniele Muscionico, NZZ (mehr)
WER SIND DIE BOHEMIENS VON HEUTE?
Mit: Jo Dunkel, Philippe Nauer, Dominique Rust
Regie / Co-Autor: Christoph Frick
Co-Autorin / Dramaturgie: Suzanne Zahnd
Raum / Kostüme / Grafik: Clarissa Herbst
Musik: Martin Fischer
Licht: Michel Jann
Ton: Andreas Döbeli
Maske: Carin Kälin
Regieassistenz: Natalija Pocuca
Produktionsleitung: Ursula Freiburghaus
Premiere 30.1.2002,
Theaterhaus
Gessnerallee Zürich, Reithalle
Weitere Vorstellungen Schauspielhaus Hamburg / Neues Cinema; Festival auawirleben Bern; Kaserne Basel
Eine Produktion von KLARA Theaterproduktionen in Koproduktion mit Migros-Kulturprozent und dem Theaterhaus Gessnerallee