von Christoph Frick
Fotos © Maurice Korbel
Es wimmelt nur so von Hochstaplern, Falschspielern, Spekulanten, Trickbetrügern: die deutsch-schweizerische Koproduktion befasst sich mit der Artistik der Hochstapelei und des Falschspielertums – sie handelt von Fremdtäuschung und Selbstbetrug; von falschen Biographien und der Piraterie der Gefühle. Wenn Werte nicht mehr mit dem Zwang zur Selbstdarstellung und zum Streben nach Anerkennung schritthalten können, wird Hochstapelei zum erfolgversprechenden Verhaltensmuster. Der Einzelne wird getrieben vom Bedürfnis, Bedeutung zu haben, welche das Ich übersteigt. Dazu wählt er die magische Abkürzung: "Hochstapler erfinden kriminelle Varianten zu dem, was offiziell Karriere heisst" (Peter Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft). Abkürzungen, welche freilich direkt in Hochrisikobereiche mit Absturzgefahr führen.
Zusammen mit dem Theater Freiburg/pvc Tanz Freiburg Heidelberg begibt sich KLARA auf die Suche nach den Mechanismen und Regel(losigkeite)n der Hochstapelei und des Falschspielens. Welche Not und welche Scham steckt hinter dem Drang zur Hochstapelei? Ist Falschspielertum moralisch verwerflicher als Hochstapelei? Ist Hochstapelei überhaupt verwerflich? Haben wir es verdient, betrogen zu werden? Woher kommt die Bewunderung, welche Hochstaplern immer wieder zufliegt? In "Hochstapler und Falschspieler" befinden sich neun beinahe identische Hochstaplerwesen auf einer Berg- und Talfahrt zwischen Hochgefühl und Depression. Gefangen in ihren selbstgebastelten Scheinwelten versuchen sie, die wiederkehrenden Momente des Zusammenbruchs und der Einsamkeit zu kitten, die Kurve doch noch einmal zu erwischen – obwohl (oder gerade weil) sie sich ihrer eigentlichen Nichtigkeit sehr wohl bewusst sind. Sie spiegeln die Ursachen und Symptome der Hochstapelei in einem theatralen, tänzerischen und musikalischen Balanceakt – oder: als Börse der falschen Versprechungen und des Misslingens.
Das Geniale an Fricks Inszenierung ist, dass sie dabei aber nicht auf banales Finanzmarktbashing zielt, sondern gerade in der Vermischung von Tanz, Schauspiel und Musik zeigt, dass dieses Gebaren sich nicht mehr in einem bestimmten Segment der Gesellschaft isolieren lässt, sondern längst jeden Einzelkörper ergriffen hat. Das Blendwerk ist allumfassende Körperpolitik vom Börsenparkett bis zur Miniplaybackshow. Die Hochstapler sind bei Frick folgerichtig auch keine gerissenen Schlitzohren, sondern zerrissene Seelen die eher in ihr Falschspiel hineingesogen werden. nachtkritik (mehr)
Haben wir es verdient, betrogen zu werden? Woher kommt die Bewunderung, welche Hochstaplern immer wieder zufliegt?
Regie: Christoph Frick
Bühne und Kostüme: Clarissa Herbst
Musik: Martin Schütz
Video: Angelo Sansone
Lichtdesign: Mark Howett
Dramaturgie: Inga Schonlau, Patrick Wymann
Produktionsleitung: Ursula Freiburghaus
Mit: Nicola Fritzen, Kate Harman, Uta Krause, Philippe Nauer, Dominique Rust, Tobias Schramm (Live-Musik), Martin Schütz (Live-Musik), Angelika Thiele, Michael Wolf
Eine Produktion von KLARA Theater Poduktionen und Theater Freiburg/pvc Tanz Freiburg Heidelberg. In Koproduktion mit
Theaterspektakel Zürich, auawirleben Bern und Kaserne Basel
Gefördert von Fachausschuss Theater und Tanz BS/BL; Pro Helvetia; GGG Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel; Migros-Kulturprozent; Stanley Thomas Johnson Stiftung; Ernst Göhner Stiftung; Jubiläumsstiftung der Basellandschaftlichen Kantonalbank
Premiere 28. August 2009
Theaterspektakel Zürich
Weitere Vorstellungen:
Theater Freiburg
Theater Heidelberg
Kaserne Basel
AUAWIRLEBEN Bern
garajistanbul Istanbul
Theater Chur